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Essen bedeutet so vieles - Genuss, Notwendigkeit, Gesundheit, Zusammensein, Identität, Kultur, Umwelt & Tierwohl.

Essen bedeutet Verantwortung übernehmen, für sich und die Welt. Denn was wir essen hat nicht nur auf unseren Körper und auf unser Wohlbefinden einen immensen Einfluss, sondern in großem Maß auch auf die Umwelt, das Tierwohl und die Menschenrechte. Es spielt eine Rolle was wir essen.

Ich teile hier alles rund um Food & Ernährung , kulinarisches Reisen, persönliche Erfahrungen auf meinem Lebensweg und einige Einblicke in meine Learnings als Unternehmerin und in Social Media.

Gerne kannst Du mich anschreiben, wenn Du mehr zu einem Rezept, dem Tegernseer Tal wissen möchtest oder eine persönliche Frage hast.

Anya

Weißes Gold

Weißes Gold

Salz ist wohl das weltweit am häufigsten eingesetzte Würzmittel in unseren Küchen. Es ist nicht ledgilich der salzige Geschmack des Mineralstoffs – denn Streng genommen ist Salz ein Mineral und kein Gewürz –– das den übergreifenden Geschmack eines Gerichtes beeinflusst. Das heisst ausser ein Gericht ist schlichtweg auf Grund des amourösen Zustandes des Kochs versalzen. Vielmehr unterstützt es die Lösung andere Geschmackskomponenten im Essen und damit die Entfaltung einer vielfältigen Geschmackswelt, die für ein jeweiliges Gericht charakteristisch ist. 

Zugegeben habe ich mir lange keine Gedanken darum gemacht, wo Salz herkommt. Lediglich das mittlerweile weltbekannte Fleur de Sel war mir als Salz-Delikatesse bekannt, mit dem man vor dem Servieren ein Gericht mit einer Prise den letzten Schliff verpasst. Kürzlich durfte ich lernen, dass der Begriff ‘Salzblume’ ihren Ursprung in der Bretagne hat, von den Salzfeldern, die sich auf dem schmalen Landstrich zwischen der mittelalterlichen Stadt Guérande und der Atlantikküste erstreckt. 

Fährt man vom Flughafen Nantes Richtung Guérande, die einen mit seinen kleinen, hübschen Gassen umgeben von der schweren Stadtmauer in eine frühere Zeit reisen lässt, so erkennt man auf den ersten Blick nichts ungewöhnliches. Macht man sich dann aber auf an’s Meer, um die Weiten des Atlantischen Ozeans auf sich wirken zu lassen, fährt man durch eine Landschaft, die dem ungeschulten Auge als neues Bild präsentiert. Der Landstrich zum Meer ist nämlich gespickt mit natürlichen Wasserbecken, die wiederum in sich kleinere Becken aufweisen, alle verbunden über ein Netz an schmalen Kanälen. Es handelt sich um Salzfelder, die seit Jahrhunderten nach der gleichen Methodik, per Hand, bestellt und bewirtschaftet werden.

In den Sommermonaten, wo das warme und sonnige Wetter überwiegt, sind die Salzbauern in ihrem Element. Morgens bei Sonnenaufgang geht es in die Felder, um das grobe, graue Meersalz, dass sich am Boden der Becken absetzt, zu ernten, das Salz zum trocknen auszulegen und das Getrocknete zu säubern. In der heißen Mittagszeit ziehen sich die meisten ins Kühle zurück und machen sich zum nachmittag nochmals bis Sonnenuntergang auf, um das feinere Fleur de Sel, dass sich bei optimalen Witterungsbedingungen –– viel Sonne, Wärme und Wind –– an der Wasseroberfläche sammelt, abzuschöpfen.

Verschreibt man sich als Familie der Bewirtschaftung von Salzfeldern, so unterwirft man sich den Gesetzen der Natur. Denn die Salzernte wird nur durch die Nähe zum Meer, ihren regelmäßigen Gezeiten, vor allem die, die durch den Mond beeinflusst stärker ausfallen, überhaupt möglich. Letztere spült salziges Wasser vom Meer, über das Kanalsystem in die Becken, wo das Wasser mit Hilfe von Wind und Sonne verdampft und im Rahmen des Flusses von Becken zu Becken sich zu einer immer stärkeren Salzlake entwickelt. Die Becken mit dem sehr salzhaltigem Wasser befinden sich in der Mitte der ‘Saline’. Aus diesen Becken, genannt Œillets,  wird das Gros Sel vom Boden und das Fleur de Sel von der Oberfläche des Wassers gewonnen. 

Die zwei Salzarten unterscheiden sich sowohl in Form als auch in Farbe. Das gröbere Gros Sel ist natürlich grau, da es in Kontakt mit dem Tonboden kristallisiert, und garantiert ungewaschen, unraffiniert und ohne Zusatzstoffe. Es wird in der Küche am Besten eingesetzt, um Pasta oder Gemüse zu salzen, oder zum Beispiel als dichte Salzkruste zum Backen von Fisch oder Fleisch eingesetzt. Legt man sich ein Salzkristall das Gros Sel auf die Zunge, so merkt man wie sich die salzige Geschmackssensation in sekundenschnelle im Mund ausbreitet.

Das feine Fleur de Sel hingegen ist natürlich weiß. Nur kleine Mengen können am Ende eines Tages abgeschöpft werden. Das Salz kommt in seiner reinen Form auf den Tisch –– ungewaschen und ungemahlen –– und eignet sich besonders zum Verfeinern von Gerichten. Der Geschmack des Fleur de Sel ist dementsprechend ganz leicht und hebt mehr die Geschmacksnuancen anderer Inhaltsstoffe hervor als sie durch ihren eigenen Geschmack zu überdecken.

Das handelsübliche, feine Sel Moulu wird durch trocknen und mahlen des Gros Sel hergestellt und lässt sich vielfältig in der Küche für’s salzige würzen einsetzen.

In diesem Landstrich der Bretagne wird seit Jahrhunderten auf gleiche Weise Salz gewonnen und vertrieben. Die Mönche der Abtei von Landévennec setzten durch ihre Studien von Gezeiten, Wind und Sonne im 9. Jahrhundert die Grundlage für eine dauerhafte, nachhaltige Produktion von Salz auf den Feldern an der Küste des Atlantiks. Über Jahrhunderte lebten Familien im Wohlstand vom Salzgeschäft. Da Salz vor der Erfindung des Kühlschranks besonders auch zur Haltbarmachung von Lebensmitteln eingesetzt wurde, erlebte der Handel mit Salz nach der Einführung des haushaltsüblichen Kühlsystems, dem Kühlschrank, in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts einen Einbruch. Nachdem Jahrhundertelang Familien davon gelebt hatten wurden auf einmal zusätzliche Einkommen zum Überleben von Familien notwendig –– der Beruf des Salzbauerns hatte an Glanz und Attraktivität verloren. 

Es kam sogar die Zeit in dem der Versuch durch Externe unternommen wurde die Salzfelder aufzukaufen und zu Luxus Marinas umzugestalten. Dies regte allerdings Widerstand. Die Salzbauern taten sich zusammen, um den Landstrich in seiner über Jahrhunderte hinweg entwickelten Form sowie das traditionelle Handwerk der Salzbauern zu erhalten. 1988 wurde Les Salines de Guérande-Le Guérandais gegründet, zu denen heute 220 lokale Salzbauern gehören. Die Vereinigung spricht damit heute mit einer Stimme gegenüber der lokalen Regierung, Händlern, Kunden. Und das vermutlich Wichtigste, um diese traditionelle Wirtschaftsform zu erhalten: heute kann wieder von der Arbeit eine Familie ernährt werden.

Bei meinem Besuch durfte ich eine solche Familie kennenlernen, die ihr Leben um die Salzfelder aufgebaut hat und jahrein, jahraus im Einklang mit der Natur lebt. Ich fühlte mich im Gespräch mit Maxime auf eine gewissen Art etwas an mich selbst erinnert. Maxime hat Wirtschaftswissenschaften studiert und lange in Paris und London gearbeitet. Wie viele unserer Generation hat er den Weg aus dem Hamsterrad der modernen Arbeitswelt gesucht im Bestreben ein selbstbestimmtes, freieres Leben zu führen. Seine Großeltern hatten schon Salzfelder bewirtschaftet. Seine eigenen Eltern waren in der Zeit aus dem Geschäft ausgestiegen, als es sich kaum davon leben ließ und zogen in die Stadt auf der Suche nach einem besseren Leben. Schon Maxime’s Bruder hat die Familientradition wieder aufgegriffen und einige Jahre vor seinem Bruder Felder gepachtet, um sie eigenhändig zu bewirtschaften. Maxime hat es ihm nachgemacht und führt heute ein Leben, dass lediglich durch die Bewegungen der Natur geleitet wird. Eine Arbeit, die stark im körperlichen verankert liegt. Maxime bewirtschaftet 68 Salzbecken. Jedes Feld wirft im Sommer täglich 50 kg Gros Sel ab. Damit bewegt er täglich 3400 kg Salz. Da weiß der Körper nach einem Tag Arbeit was er geleistet hat.

Das Salz hat auch in Maxime’s Haushalt einen besonderen Wert. Denn Maxime’s Frau Astou, die seit ihren Kindertagen im Senegal leidenschaftlich kocht, und vor einigen Jahren eine hochklassige Kochausbildung in Paris absolviert hat, verarbeitet nicht nur das hauseigene Salz tagtäglich in der Küche, sondern auch die vielen weiteren Produkte, die die Felder hergeben. Vielerlei Kräuter und wildes Gemüse, von Fenchel, Karotten und Dill über Senfkörner hin zu regionalen Gewächsen wie das Salicornia, das man einfach vom Busch pflücken und sich in den Mund stecken kann –– ich konnte davon nicht genug bekommen, so frisch und salzig wie es schmeckt. Zu meinem Glück habe ich es kürzlich bei uns im lokalen Fischladen entdeckt!

Astou hat die morgens auf unserer Wanderung durch die Felder gesammelten Blätter auf allen drei für uns an diesem Tag zubereiteten Gerichten garniert und jedes Mal war es eine geschmacklich wundervolle Ergänzung, egal ob auf Gemüse, Fisch oder auf der abschließenden Süßspeise –– die Bilder sprechen für sich. Und natürlich immer mit einer Prise Fleur de Sel zur geschmacklichen Abrundung.

Essen wird wohl weltweit am häufigsten mit Salz gewürzt. Der Körper braucht schließlich Salz für verschiedenste Prozesse u.a. um den Wasserhaushalt im Körper zu regulieren. 

Mit Salz kann man sich aber bei der Zubereitung im größeren Stil häufig andere Gewürze sparen. Aus diesem Grund setzt die Industrie zu gerne viel, günstiges Salz pro Mahlzeit ein, im Durchschnitt wohl deutlich mehr als einen Tagesbedarf pro zubereitete Mahlzeit. Auch wird das handelsübliche Salz mit Hilfe von Sprengstoffen aus Minen gewonnen –– die größten europäischen Werke liegen in Deutschland, Polen und Rumänien. Erschaffen wird also ein Produkt, das stark durch Erhitzen, Mahlen, Bleichen und Verabreichung von Zusätzen verarbeitet ist und bei der Gewinnung massiv in die Umwelt eingreift. Das Thema Salz ist damit in vielfältiger Weise ein durchaus kritisches, das mit Komplexität behaftet ist..

Im harten Kontrast zum industriell und im großen Stile produzierten Mineralstoff steht das mit alter Handarbeit gewonnene Salz aus der Bretagne, das nach Jahrhundertealter Tradition im Einklang mit der Natur gewonnen wird. Setze ich es im Essen mit Liebe und Bedacht ein, mit dem Ziel die natürlichen Geschmacksnuancen des zubereiteten Essens nicht zu überdecken, sondern vielmehr zu unterstreichen und hervorzuheben, so ist es wahrlich ein weißes Gold, das das geschmackliche Erlebnis des Essens auf ein besonderes Niveau anhebt, gleichzeitig dem Körper wohltut und dabei die Natur schützt und erhält. Das Salz in unserem Haus kommt nun aus der Bretagne.

Ein blauer Stern am Siegel-Himmel

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Kräuterwraps von der Almküche der Hündeleskopfhütte im Allgäu

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