Was ist, wenn ich ohne zu wissen, nicht das Leben lebe, das ich möchte?
Zum Kochen bin ich aufgrund meines Burnouts gekommen. Dass es letztlich einer war habe ich erst vor kurzem akzeptiert als mir therapeutisch das Zusammenspiel der Symptome erläutert wurde. Warum ich darüber schreibe? Weil angeblich 50% aller Deutschen das Gefühl haben einen Burnout bekommen zu können, schon mal Anzeichen haben/hatten oder aber tatsächlich schon einen Burnout hatten. Nur spricht gefühlt keiner darüber. Das halte ich für einen Fehler, denn vielmehr als Schwäche ist der Moment sich selbst diesen Zustand einzugestehen eine großartige Chance sein Leben dahingehend zu verändern, dass es wahrhaftig die eigenen Werte und Bedürfnisse widerspiegelt, ein Leben, das für einen selbst das richtige ist. Auch wenn der Weg dahin steinig ist.
Vor ca. drei Jahren fingen die Rückenschmerzen und Schlafstörungen an. Ich befand mich über einen längeren Zeitraum in einer sehr schwierigen und herausfordernden beruflichen Situation –– nachdem die Phase vorüber war und das Ergebnis für den Umstand ausgesprochen positiv war, war ich selbst komplett ausgelaugt.
Wenn wir dauerhaft Stress empfinden, und es ist immer ein sehr persönliches Gefühl, das sich von Person zu Person abhängig von den Umständen unterscheidet, dann befinden wir uns auch dauerhaft im Fluchtmodus. Nur, dass der Säbelzahntiger von früher heute eine andere Gestalt annimmt: dauernde Kommunikationsbereitschaft, Vereinbarung von Beruf und Familie, Erwartungen unseres Umfeldes sowie unsere eigenen, wenig Anerkennung und Zuspruch. Es wird konstant Adrenalin ausgeschüttet, was uns durch die Phasen hindurch hilft. Das ist auch gut so, dafür ist das Hormon gedacht. Ein weiterer Effekt ist jedoch, dass Cortisol als weiteres Stresshormon produziert, abgegeben und im Vergleich zu Adrenalin nur sehr langsam wieder abgebaut wird. Und es hat leider auch so einige Begleiterscheinungen: Schlafstörungen, Schwächung des Immunsystems, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung, Magen-Darm-Beschwerden, durch die dauerhafte Anspannung Rückenschmerzen und sicherlich einiges mehr.
Als die schwierige Zeit vorbei und etwas Ruhe eingekehrt war, dachte ich, Schmerzen, Schlafstörungen etc würden mit der Zeit vergehen. Dem war nur leider nicht so. Dabei hatte ich einiges dafür getan –– mehr Ruhezeiten, Sport, Physiotherapie …. In dieser Zeit habe ich auch verschiedene Ärzte zu den einzelnen Symptomen aufgesucht, es warf aber keiner einen ganzheitlichen Blick auf die Symptomatik.
Offensichtlich mit der unterbewussten Erkenntnis, dass mein Körper und Geist eine Veränderung brauchen, hatte ich Tegernsee Kitchen gestartet, eine persönliche Challenge bei der ich täglich etwas kochen und auf Instagram einstellen wollte, ein Jahr lang ohne weitere Erwartungen lediglich mit einer Neugierde was sich daraus entwickeln könnte.
Ein Jahr später hatte ich einen Bandscheibenvorfall. Max’ Diabetes Erkrankung kurze Zeit später hat dann meine Entscheidung bestärkt, aus meinem bisherigen Job auszusteigen, um mehr Zeit und Ruhe für ihn zu haben und für uns als Familie einen neuen Alltag zu finden. Rückblickend hat mir der anfängliche Schock und der eigene Anspruch meinem Sohn die bestmögliche Betreuung zu bieten die letzte Kraft geraubt.
Mehr dazu wie sich die Symptome schleichend aufgebaut und festgesetzt haben und wie ich mich aus der Situation wieder herausgearbeitet habe findet in Kürze.
Anfang diesen Jahres habe ich nach mehreren Gesprächen mit einer Freundin, die gerade selbst einen Burnout durchlebte, erstmals intensiv damit angefangen mich mit den Ursachen meiner Symptome auseinanderzusetzen. Warum war ich eigentlich in diese Erschöpfung gerutscht? Warum fühlte sich mein Rücken manchmal so an, als könne ich vor lauter Last nicht aufstehen? Warum war ich auf einmal ständig krank geworden, obwohl ich mein lebenlang bisher immer gesund war?
Die Antwort ist keine aufregende und sicherlich –– wenn man ehrlich mit sich ist –– sehr vielen Menschen durchaus bekannt. Ja, ich habe sehr viel gearbeitet. Der eigentliche Kern lag allerdings woanders, nämlich in der ständigen Suche nach Anerkennung. Ich empfand ein Pflichtbewusstsein meine Aufgaben richtig zu erfüllen, dass mein eigenes Wohl in den Hintergrund stellte. Ich dachte ich müsste mich über einen Job definieren, weil worüber sonst wenn nicht darüber. Ich war ständig getrieben. Warum das so ist, ist sicherlich stark in der persönlichen Geschichte verwoben.
Ich durfte in meinem Leben schon sehr vieles kennenlernen, erleben und lernen, sehr vieles wurde mir einfach in den Schoß gelegt. Heute weiß ich nur, ich folgte lange Zeit an zu vielen Stellen Ziele und Werte, die für mich nicht im Kern eines glücklichen Lebens stehen. Bis ich mir die Zeit genommen habe, zu hinterfragen, wie ich in diese Situation gekommen war, habe ich zwar ein reichhaltiges Leben geführt, wovon ich aber viele Facetten so nicht wollte, ohne es zu realisieren.
Warum man selbst und die Gesellschaft beim Burnout wegschaut –– eine persönliche Einschätzung in Kürze.
Mir war es erst kürzlich möglich, mir selbst einzugestehen, dass ich einen Burnout hatte. Ich denke, ich wollte mir keine ‘Schwäche’ eingestehen. Und ich habe durchaus Menschen im näheren Umfeld gehabt, die einen Burnout gerne herunterspielen und dafür nur ein müdes Lächeln übrig haben. Erst nach mehreren Monaten, zeitweilig nach aufreibender Arbeit an mir selbst, weiß ich, dass ich irgendwann meine eigenen Grenzen nicht mehr gesehen habe, aber auch, dass der Weg dahin ein langer und schleichender war. Heute sehe ich in diesem Eingeständnis einerseits Stärke, denn ich habe den Mut gehabt, mein Leben unter die Lupe zu nehmen bzw. ihm frontal in die Augen zu schauen. Und ich habe etwas sehr wertvolles dabei erkannt: der Umstand ist eine Chance, das Leben ganz neu zu gestalten, nach den eigenen Vorstellungen.
Warum ein Burnout eine Chance ist –– folgt in Kürze.
Jedem, der langfristige Ermüdung empfindet, unter körperlichen, ggf. schon chronischen Schmerzen leidet, für die man keinen klaren Grund findet, der Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen, Gereiztheit, dauerhafte Magen-Darm Probleme hat –– die Anzeichen treten auf körperlicher und seelischer Ebene auf ––, kann ich nur raten, die Anzeichen ernst zu nehmen, Hintergründe zu durchleuchten und sich nach Möglichkeit auch professionelle Hilfe zu suchen. Es ist kein Zeichen der Schwäche, sondern des Mutes und eröffnet die Chance, sein Leben neu zu definieren. Ein Leben nach den eigenen Regeln, das man sich selbst ausgesucht hat.