Bitte Streuobst - aber warum?
Beim Einkaufen staune ich in der Gemüseabteilung häufig über das große bis sehr große Angebot an Äpfeln. Stutzig werde ich, wenn ich die Sorten und ihre jeweilige Herkunft genauer betrachte. Warum nur müssen wir Äpfel aus Südamerika oder Neuseeland einfliegen?
Der Deutsche isst jährlich ca. 127 Äpfel. In Deutschland werden wiederum im Jahr ca. 1.020 Tonnen geerntet, das wären genug für etwa 53 Millionen Deutsche. Ok, reicht nicht ganz, um das ganze Land zu versorgen. Aber Neuseeland? Wenn doch ein riesiges Anbaugebiet für Äpfel auf der anderen Seite der Alpen in Südtirol zu finden ist. Um diese Mengen zu produzieren, ist natürlich Intensivanbau notwendig, dh die Äpfel wachsen ähnlich wie eine Weinrebe an Sträuchern, entlang geordneter Bahnen, die sich leicht pflegen lassen und das Obst auch einfacher geerntet werden kann. Hochleistungsbäume, Monokulturen. Um den weltweiten Apfel-Bedarf zu decken, ist diese Form des Anbaus wohl unumgänglich. Wir alle wollen Äpfel essen. Wie man sich denken kann, hat diese Art des Anbaus aber seine Tücken –– Abnahme der Reichhaltigkeit der Böden, Einsatz von Pestiziden, Verringerung der Artenvielfalt, um nur einige Punkte zu nennen.
Anders ist es beim Streuobstapfel. Dieser wächst noch ‘ganz normal’ auf einem Apfelbaum auf Streuobstwiesen, die zum Teil Jahrhunderte alt sind.
Aber wie alt ist so eine alte Sorte überhaupt? Die älteste bekannte Sorte in Deutschland bzw. Europa ist der Edelborsdorfer Apfel. Aufzeichnungen gehen auf das Jahr 1175 zurück.
Streuobst gilt nach UNESCO als immaterielles Kulturerbe Deutschlands. Die Geschichte und das Wissen darum reicht weit zurück. Die Römer, Lernende bei den Griechen und diese bei den Persern und Ägyptern, brachten den Obstbau vor 2000 Jahren mit Kulturformen nach Deutschland. Damals entstanden erste Obstgärten am Rande der römischen Villen. Obwohl der Obstanbau bereits seit dem 2. Jahrhundert im heutigen Deutschland eine Rolle spielt, entstanden die ersten nennenswerten Streuobstwiesen, also großflächige Anpflanzungen von hochstämmigen Obstbäumen, erst im 16. Jahrhundert. Diese waren meist als gärtnerische Anlagen um Städte und Dörfer platziert. Im 30-jährigen Krieg waren viele Bäume und Wiesen zerstört worden. Mit dem Ehestands-Baumgesetz wurde jedes neu vermählte Paar und jeder zugezogene Bürger dazu verpflichtet, einen Obstbaum auf einer frei zugänglichen Fläche, an einem Weg oder einer Straße zu pflanzen. In dieser Zeit entstanden großflächige Streuobstwiesen, die für jedermann zugänglich waren.
Im Zweiten Weltkrieg wurde wieder vieles am Bestand zerstört. In den Jahren danach wurde der Erwerbsobstbau durch Prämien für die Rodung von Streuobstbäumen gefördert, um dem Intensivanbau die Türe zu öffnen und so verschwanden sie größtenteils aus dem Bewusstsein der Menschen.
Und heute? Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gehen die Streuobstbestände in ganz Europa zurück. Damit schwindet nicht nur ein kultureller Erfahrungsraum für den Menschen, sondern auch ein ökologisch wertvoller Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten. Alte Streuobstwiesen sind in vielen Teilen Deutschlands trotzdem noch immer vorhanden. Fast sechs Millionen Streuobstbäume in ganz Bayern bieten 5.000 Tier- und Pflanzenarten einen wertvollen Lebensraum. Um einem Verschwinden entgegenzuwirken sollen bis 2035 im Rahmen des Bayerischen Streuobstpakts eine Million weitere Streuobstbäume hinzukommen.
Was als Verbraucher bei der Kaufentscheidung zu bedenken ist: nicht nur verschönern die Streuobstwiesen unsere Landschaften, das Obst hat kurze Lieferwege und sie fördern auch die Erweiterung der Artenvielfalt auf den Wiesen. Durchschnittlich 5000 Mitbewohner, die kreuchen und fleuchen, zählt man auf einer Streuobstwiese im Gegensatz zu etwa 900 im Intensivanbau. Zudem werden die Böden gestärkt - kaum eine andere landwirtschaftliche Kulturform wirkt in gleicher Weise so schonend auf Boden und Gewässer wie der Streuobstbau.
So einige Äpfel habe ich mir dieses Jahr selbst vom Baum gepflückt. Dann auch häufig direkt in den Mund geschoben. Das ist bei mir nicht selbstverständlich, da ich allergisch auf die meisten Äpfel reagiere, mit einem unangenehmen Kratzen im Hals und Rachen. Bei den meisten, aber nicht bei allen. Zum Beispiel reagiere ich kaum bis gar nicht auf die alten Sorten, die ungespritzt an den Streuobstbäumen heranwachsen.
Da heute häufig süße und milde Apfelsorten mit weniger bräunendem Fruchtfleisch in der Masse bevorzugt werden, wurde durch Auslese und Züchtung in modernen Tafel-Obstsorten der Gehalt an Polyphenolen, Gerb- und Bitterstoffen reduziert.
Apfelsorten mit einem hohen Gehalt an Polyphenolen, was in der Regel bei den alten Sorten zutrifft, werden aber von Allergikern häufig besser vertragen, denn die Polyphenole im Apfel gehen mit den allergieauslösenden Eiweißen eine Verbindung ein, neutralisieren sie und vermindern damit die allergischen Reaktionen.
Also bei der nächsten Überlandfahrt am Hofladen anhalten, Obst einpacken und reinbeißen. Oder aber etwas leckeres damit zubereiten –– hier ein paar Anregungen. Reicht zwar nicht für ganz Deutschland, aber ist allemal besser als ein Apfel, der um die Welt verfrachtet werden muss.
Gebackener Ziegenkäse-Camembert und Feldsalat, dazu 2 Birnen gewürfelt und kurz in geschmolzener Butter geschwenkt, dazu Ahornsirup, ein EL gehackter Rosmarin und einer Prise Salz. Da passt ein Secco aus Birnen perfekt - aromatischer Duft, würziger Geschmack.
Würzig eingelegte Apfelscheiben mit Mascarpone-Gorgonzola und Feld frischem Rucola auf einem guten, gerösteten Brot. Für die Äpfel wird ein Sud aus 250 ml Wasser, 250 ml Weißweinessig, 125 g Ahornsirup, einer Prise Salz, 2-3 Anissternen und jeweils eine Messerspitze Senfkörner, Piment, Zimt, Ingwer, ein paar schwarze und rote Pfefferkörner sowie Wacholderbeeren, Kardamom und Ingwer aufgekocht.
Den Sud circa 10 Minuten nach einmaligem, kurzem Aufkochen bei niedriger Hitze köcheln lassen, Apfelscheiben von 2-3 Äpfeln in ein Glas geben und mit dem Sud auffüllen. 2-3 Stunden durchziehen lassen. Die Äpfel halten sich eine gute Woche im Kühlschrank. Sie schmecken zu Brot und Käse und im Salat ganz wunderbar.
Für einen Tabbouleh benötigt ihr 8-10 Zwetschgen, geviertelt; 150 g gekochten Bulgur; 4 Frühlingszwiebeln, geschält und gehackt; jeweils 4 Stängel Petersilie und Minze, gezupft und gehackt; eine Scheibe Ziegenkäse, zerbröselt; Salz, Pfeffer und 4-5 EL Olivenöl – alles vermengen, fertig ist der bunte Salat.