Der Gin vom Tegernsee
Als halbe Schottin, die in Afrika aufgewachsen ist, wäre es fast eigenartig, wenn ich einem Gin Tonic nicht zugeneigt wäre. Neben Pimm’s würde ich einen guten Gin Tonic nur selten ablehnen. Wenn ich also in meiner Nähe einen Gin-Hersteller entdecke, bin ich natürlich direkt neugierig.
In Deutschland gibt es schätzungsweise 1.000 Gin Sorten. Und eine davon kommt vom Tegernsee, und zwar von den “Zahlersberg Distillers” am Nordende des Sees in Gmund. Aber bei rund 1.000 produzierten Sorten alleine in Deutschland: wer braucht da noch eine weitere Sorte? – mag man sich fragen. Dem bin ich mal nachgegangen.
Zunächst zum besseren Verständnis eine kleine Gin-Einführung: Mitte des 17. Jahrhunderts findet man die ersten Aufzeichnungen zum Gin-Vorreiter-Getränk Genever, einem Wacholder-Likör. Dieses Getränk erhält seinen charakteristischen Geschmack durch die Aromatisierung von Gewürzen im Alkohol, im Vordergrund steht dabei die Wacholderbeere, im Englischen “Juniper Berry”, von der sich auch der Name des Gins ableitet.
Tatsächlich ist erst seit gut 10 Jahren, nämlich seit 2008, in der EU klar definiert, was Gin eigentlich ist. Dabei muss Gin aus einem natürlichen Alkohol hergestellt sein – traditionell ist dabei Getreide oder Melasse die Grundlage. Es dürfen nur natürliche Aromen zugesetzt werden, welche typischerweise als “Botanicals” bezeichnet werden. Der Wacholdergeschmack des Getränks muss vorherrschend sein und der Alkoholgehalt darf 37,5% nicht unterschreiten. Darüber hinaus unterscheidet man zwei Typen Gin, die dem Oberbegriff Gin zugeordnet werden – der Destillierte Gin und der Dry Gin. Dabei ist der Destillierte Gin mindesten zweifach destilliert. Im Falle des Dry Gins dürfen auch nicht-pflanzliche Aromen dazu gegeben werden. Der gemeinhin bekannte “London Dry Gin” unterscheidet sich vom “Dry Gin” dadurch, dass diese Beigabe untersagt ist, denn hier sind nur pflanzliche Zusätze erlaubt. Als weitere Sorte gibt es noch den “Sloe Gin”, der allerdings unter die Gruppe der Liköre fällt.
Nun zu den Gin Jungs hier am See: Die “Zahlersberg Distillers” sind Fabian Delfs und Thomas Lix. Fabian ist eigentlich Berater und viel im Nahen Osten unterwegs. Thomas betreibt als Meister seine eigene Schreinerei. Beide wohnen bei Gmund mit ihren Familien auf dem Hof von Thomas, auch “Lixxie” genannt, der schon seit mehreren Jahrhunderten zur Familie gehört. So nahe beieinander, freundschaftlich eng verbunden, beides passionierte Gin-Trinker und kreative Köpfe. Was kommt dabei heraus?
Mittlerweile sechs verschiedene Gin-Sorten. Das besondere, wie ich finde, ist, dass jeder Gin von einer kleinen Geschichte oder Partnerschaft begleitet wird. Der neuste Gin, der “KIUNGU Dry Coffee Gin”, ist in Zusammenarbeit mit der Tegernseer Kaffeerösterei entstanden, wobei Grundlage des Gins eine am See geröstete kenianische Kaffeebohne ist. Der “BALTHASAR 1789” ist eine Hommage an den 1789 erbauten Hof, in dem beide leben und in dem auch destilliert wird und der Name “Balthasar“ geht auf Thomas’ Vater zurück. Der Zahlersberg-Klassiker, der “Zahlersberg No. I Dry Gin” ist unter anderem mit Birne und Goji-Beeren verfeinert – beides aus eigenem oder lokalem Anbau.
Was die Gin-Destillerie für mich besonders macht, ist die Hingabe und Liebe mit der die beiden Gründer an die Herstellung ihrer Gins heran gehen. Die Gin-Sorten werden mit viel Kreativität von Thomas und Fabian entwickelt, der Gin selbst von Hand produziert und das Gesamtkonzept der jeweiligen Sorte von Befüllung, Etikett-Design und Vermarktung in vollständiger Eigenregie verantwortet.
Daher verwundert es nicht, dass die beiden auf meine Frage, ob sie ihre Gin-Leidenschaft am Liebsten groß aufblasen und zur Hauptbeschäftigung werden lassen wollen, eine klare Antwort parat haben: im Mittelpunkt steht ein hochwertiges, einzigartiges Produkt. Diese Qualität lässt sich vor allem durch Zeit und Liebe zum Detail aufrecht erhalten, und soll zugleich nicht durch eine mögliche Massenproduktion geschmälert werden. So wachsen die Jungs lieber in kleineren Schritten und beständig als ihre Gin-Werte an den Nagel zu hängen. Einen attraktiven Deal mit einer großen deutschen Handelskette haben sie aus diesem Grund auch schon abgelehnt. Chapeau.
Wer sich für Gin von den “Zahlersberg Distillers” interessiert, kann sowohl online bestellen als auch bei den Jungs persönlich vorbeischauen. Zudem bieten die beiden regelmäßig ein Gin-Tasting an. Mehr Infos findet ihr auf ihrer Website.
Alle Zahlersberg-Gins haben eine limitierte Auflage und gehören der Gruppe des Dry Gins an. Der Produktionsprozess ist recht einfach: der Alkohol wird mit den Botanicals, die entweder aus dem eigenen Garten und dem nahen Umland stammen (wie bspw. die eingesetzten Wacholderbeeren vom Waldrand) aufgesetzt und zieht dann 36 Stunden durch. Danach erfolgt die Destillation. Abschließend wird reines, klares Wasser – aus dem Tegernseer Tal – hinzugefügt. Die Kunst und die Verfeinerung des Gins liegt in den Feinheiten: Dauer, Mengen, Wasserqualität, Zutaten und besondere Inhaltsstoffe lassen in ihrer individuellen Zusammenstellung einen Gin einzigartig werden. Im Übrigen werden dem Gin auch heilende Wirkungen nachgesagt – er soll entgiften, das Immunsystem stärken und auch gegen Heuschnupfen Abhilfe schaffen. Dann mal Prost!
Moment - und wie bereitet man einen perfekten Gin Tonic vor? Fangen wir beim Glas an – meine Präferenz ist da ein Copa Glas mit einem langen Stil und einer ballonförmigen Schale. Sie hat den Vorteil, dass viel Eis hineingeht und damit das Getränk kalt hält aber nicht verwässert. Die Gin Aromen werden über die schmalere Öffnung oben gesammelt und an den Genießer weiter gegeben.
Also, Glas bis zum Rand mit Eis füllen. Das klassische Mischverhältnis ist eine Einheit Gin zu drei bis vier Einheiten Tonic. Natürlich ist das Geschmacksempfinden hier ganz subjektiv und am Besten tastet man sich da selbst heran – dh viel trinken! Auch die Qualität des Tonics ist maßgeblich. Lieber zu einem hochwertigen greifen als sich den GT verderben lassen. Wichtig dabei auch – immer kleine Flaschen Tonic nutzen, die man beim Genuss frisch aufmacht. Es gibt für einen Gin Tonic Liebhaber nichts schlimmeres als einen abgestandenen Tonic im GT.
Garniert wird klassischerweise mit einer Limettenscheibe. Alternativ machen sich auch Rosmarin, Zitrone, Gurke, Pfeffer & Co hübsch im Glas. Aber Vorsicht: der eigentliche Geschmack des Gin Tonic sollte ergänzt und nicht übertüncht werden. Cheers!